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Vereinsdialoge

„Jar nich mal so schlecht…“

Die Vereinsdialoge waren das Kooperationsformat zwischen uns als Landesheimatbund, mit unseren vielen lokalen und regionalen Mitgliedsvereinen und der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt. Es ist nun Anlass, auf den Fundus von Erfahrungen und Erlebnissen der mehr als 30 Veranstaltungen zurückzublicken und gute Erfahrungen zu verallgemeinern.

Was war die Idee hinter den Vereinsdialogen?

Unser spezielles Format wurde initiiert, um in Vereinen engagierte Menschen mit VertreterInnen aus Politik und Verwaltung zu vernetzen. Ziel war es, besondere Aufmerksamkeit auf bürgerschaftliches Engagement im ländlichen Raum zu lenken und mit den Dialogen ein Forum zu schaffen, in dem die vielfältigen Anliegen, Ideen und Vorstellungen der Menschen vor Ort angesprochen und diskutiert werden können. Gleichzeitig sollten Vereine helfende Kontakte erhalten – sowohl zu ihren regionalen politischen RepräsentantInnen und zu Verwaltungsstellen als auch zu anderen in der Region aktiven Vereinen. Die Vereinsdialoge schufen also Gelegenheitsfenster, um verbindlichere und an gemeinsamen Lösungen interessierte Kooperationsnetze zwischen Vereinen und neuen Partnern entstehen zu lassen.

Ein Anfang ist nicht schwer

Nicht wenige angesprochene Akteure standen den Vereinsdialogen anfangs skeptisch gegenüber: „Landtagsabgeordnete? – Wer?“, „Oohr nee, Politiker...“, „Was soll das denn nützen“?, „Das wird doch nur Wahlkampfgeschwätz.“, „Jaja, reden können die alle viel, aber nützen tut uns das nüscht.“, „Versprechen tun die immer alles, aber nach den Wahlen will keiner was gesagt haben und es lässt sich keiner mehr blicken.“ Das waren einige der Vorbehalte gegenüber der Personengruppe, die politische Positionen, Mandate oder Ämter innehaben oder vertreten. Solche Verallgemeinerungensind sehr verbreitet. Anliegen unseres Formates war es deshalb auch, verallgemeinerte Ablehnung durch einen lösungsorientierten Dialog aufzuweichen. Vereinsvorsitzende waren meist recht schnell von der Idee der Vereinsdialoge angetan, doch gelang es ihnen manchmal nur bedingt oder mit Mühe, auch ihre Mitglieder von den Möglichkeiten des Formates zu überzeugen.

Hatte sich ein Verein auf die Vereinsdialoge eingelassen, war schnell die Feststellung zu vernehmen, dass alles gar nicht so schlimm sei. Klar, schwarze Schafe gebe es überall (so auch in den Vereinen), doch die meisten (Politik)-Leute seien, wenn man sie erstmal kennengelernt habe, doch irgendwie ganz nett und umgänglich. So wurde die sich bietende Gelegenheit ausgiebig genutzt, jene Themen anzusprechen, die sowohl aus Vereins- wie auch aus Bürgersicht auf Lösungen warten. „Warum hat man das Gefühl, dass zur Verfügung stehende Fördergelder nicht entdeckt oder nicht beantragt werden sollen? Die Antragstellung ist so kompliziert wie eine Steuererklärung. Geht das nicht einfacher? Wer hilft uns dabei?“. „Wenn wir unsere Grundschule hier im Dorf verlieren, können wir hier bald abschließen. Was sagen Sie dazu? Unterstützen Sie uns dabei, unsere Schule zu halten?“, „Wir wollen hier etwas aufbauen, das schön ist, einen Mehrwert für alle schafft und Menschen zum Hierbleiben animiert oder sogar neue Interessenten herlockt. Doch wir wissen nicht, wo wir die Eigenmittel hernehmen sollen, um an Fördergelder zu kommen. Da muss sich doch etwas ändern lassen. Wie können Sie helfen?“.

Ein besonderer Blickwinkel waren Zukunftsperspektiven der ländlichen Regionen.

„Welche Vision haben Sie für unsere Region? Was machen Sie ganz konkret dafür, dass wir hier in fünf Jahren noch besser aufgestellt sind?“. All das sind Themen, die in Kalbe, Hainrode, Möser, Ostrau, Havelberg, Brehna, Osterwieck und Brachwitz angesprochen wurden. Diese Themen, die so oder in ähnlicher Weise Menschen in ganz Sachsen-Anhalt umtreiben, waren Bindeglieder zwischen der Politik und den Bürgerinteressen.

Den Blick öffnen

Viele Vereine und Engagierte standen vor den Vereinsdialogen nur selten in Kontakt mit ihren politischen RepräsentantInnen in der Region bzw. aufLandesebene. Überwiegend beschränkte sich eine ab und an stattfindende Zusammenarbeit auf die BürgermeisterInnen, die oft gar nicht als VertreterInnen der Politik wahrgenommen werden. Doch diese BürgermeisterInnen stoßen bei den Anliegen der Vereine sehr schnell an ihre Zuständigkeits- und Ressourcengrenzen. Nicht zuletzt weil die Kassen der Kommunen häufig leer sind, aber auch, weil Zuständigkeiten zur Problemlösung auf anderen politischen Ebenen liegen. Nur die wenigsten Mensxchen/Vereine finden/suchen den Weg zu höheren Ebenen politischer Zuständigkeit. Kreistagsabgeordnete oder LandrätInnen werden beispielsweise häufig nicht als relevante politische Akteure wahrgenommen, obwohl der Landkreis in ländlichen Gebieten ein einflussreicher Akteur ist, der andere Möglichkeiten und auch Ressourcen zur Verfügung hat als eine einzelne Gemeinde. Über den Landkreisen steht die Landesebene. Die auf dieser Ebene tätigen Landtagsabgeordneten werden wahrgenommen, allerdings selten kontaktiert. Vielleicht liegt es daran, dass Landtagsabgeordnete in der Wahrnehmung vieler WählerInnen, die Unterstützung, oder Expertise suchen, zu weit entrückt erscheinen. Gerade Landtagsabgeordnete sollten jedoch oftmals die erste Adresse sein. Zwar sind sie nicht für alles zuständig (für vieles ist der Bund, der Kreis oder die Gemeinde zuständig), doch sind sie oft bestens bekannt und besitzen wertvolles Fachwissen, von dem Menschen und Vereine profitieren können. Sie können kompetent beraten oder helfende Kontakte vermitteln, Hilfe organisieren und Informationen einholen oder, wenn es nötig sein sollte, gar einen Gesetzgebungsprozess anstoßen. Landtagsabgeordnete werden in ihren Möglichkeiten wahrscheinlich oft entweder unterschätzt oder überschätzt. Tatsächlich können engagierte Landtagsabgeordnete auch echte MacherInnen sein! Genau das, was Menschen mit Ideen und Projekten, die ihren Ort oder ihre Gegend beleben oder voran bringen wollen, als Unterstützung benötigen. Diese MacherInnen haben in den Dialogforen oft ihre Partnerschaft angeboten und konnten Kompetenzen unter Beweis stellen

Es stellen sich schnell erste Ergebnisse und Erfolge ein

In Havelberg wurden die regionalen Landtagsabgeordneten gefragt, wo Unterstützung zu finden ist, wenn man geeignete Fördermittel für die nachhaltig zu renovierende und danach gemeinnützig zu nutzende Remise auf dem Vereinsgrundstück sucht? Und, wer dem Verein im zweiten Schritt bei der Antragsstellung hilft? Die Antworten der Abgeordneten machten schnell klar: Es gibt viele kompetente Ansprechstellen, man kannte sie häufig nicht bzw. wusste nicht, dass es sie gibt. Bei der Gemeindeverwaltung, der Kreisverwaltung und der regionalen Wirtschaftsförderung, dem Landesverwaltungsamt, der Investitionsbank des Landes, den regionalen LEADER-Verwaltungsstellen und beim Landesheimatbund: Vereinen stehen viele Beratungsmöglichkeiten offen. Die Landtagsabgeordneten boten an, Kontakte zu vermitteln, und auch, dass sich die Vereine (und Vereine der Region generell) mit konkreten Projekten und Gestaltungsideen jederzeit (auf kurzem Wege) direkt an die PolitikerInnen wenden könnten.

In Brehna hatten Vereinsmitglieder die Problematik der Vernässung von Kellern und Gebäuden im Ort durch einen steigenden Grundwasserpegel thematisiert. Die Landtagsabgeordneten versprachen eine Informationsveranstaltung auf den Weg zu bringen, auf der sich die BürgerInnen kompetent informieren und beraten lassen können. Dieses Versprechen haben die Abgeordneten eingelöst. Die Veranstaltung wird wie geplant stattfinden. Zwei weitere Veranstaltungen stehen auf der regionalen Agenda. Zum einen wird es unter Teilnahme des Kulturstaatssekretärs um die Landesfinanzierung des Kulturbereichs gehen. Zum anderen wird auf einer Folgeveranstaltung über den Finanzhaushalt der Regierungskoalition informiert und die Frage diskutiert werden, wie die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele finanziert werden sollen.

In Ostrau hat man sich auf den Vereinsdialogen ebenso dem Kulturbereich gewidmet, jedoch mit einem stärkeren Fokus auf die Entwicklung der Region und die Entfaltung ihrer Potentiale für den Tourismus und die Umsetzung eines regionalen Tourismuskonzeptes. Da dieses Thema auf dem ersten Vereinsdialog in Brachwitz ebenfalls auf der Agenda stand, gestalteten beide Vereine den zweiten Vereinsdialog gemeinsam. Synergieeffekte waren in allen Dialogforen ein wichtiges Ergebnis. Die thematischen Ansätze der Vereine stießen bei den Abgeordneten des Landtages als auch des Kreistags auf großes Interesse. Noch vor Ort wurden Schritte zur Umsetzung dieser Idee zielführend besprochen und vereinbart. So werden die Vereine in weiteren Workshops auch andere Akteure und Institutionen der Region einbinden, um die Entwicklung und Umsetzung des Tourismuskonzeptes auf breitere Füße zu stellen und zusätzliche Ressourcen einzubinden.

Dies sind nur drei Beispiele aus unseren Kampagnenerfahrungen. Gerade Landtagsabgeordnete haben sich in den Vereinsdialogen als offeneund kompetente AnsprechpartnerInnen für Vereine erwiesen. Sie agieren mit ihrem Wissen, ihrer Erfahrung und den persönlichen Kontaktnetzwerken an den Schnittstellen zwischen kommunaler Ebene und Landespolitik und -verwaltung. Hier liegt fürVereine der Regionen das Unterstützungspotenzial zur Nutzung bereit.

Anfangen, dran bleiben, mitwirken: das Potential ist groß – doch nichts kommt von allein

Abgeordnete haben ein Eigeninteresse, für die Anliegen der BürgerInnen da zu sein. In ihrem Wahlkreis, aber thematisch oft auch darüber hinaus. Die Vereinsdialoge haben deutlich gemacht, dass die Mehrzahl der Abgeordneten großes Interesse an der Mitwirkung zur Problemlösung hat. Letztlich sind Veränderungen und Verbesserungen immer auch der Gradmesser für die Wirksamkeit eines politischen Mandats. Das eigene Herangehen mit Bürgerengagement (Sachkenntnis, Wissen, Zeit) zu verknüpfen, ist für Politiker eine kluge Entscheidung. Unser bürgerschaftliches Engagement zeichnet sich vor allem auch durch Beharrlichkeit und Flexibilität aus - für schwierig zu lösende Probleme, eine unbezahlbare Ressource. Voraussetzungen für einen effektiven Prozess der Problemlösung sind also der Abbau von Vorurteilen, Fairness und Ehrlichkeit sowie die klare Definition von Rollen und Aufgaben.

Manche Vereine sind in den Vereinsdialogen an dem Glauben gescheitert, dass sich Ergebnisse, Verbesserungen oder Lösungen allein dadurch einstellen, dass sie Abgeordnete darauf angesprochen haben und ein Dialog zustande kam. Die Erwartung war hier, dass sich Abgeordnete des Anliegens annehmen und sich kümmern werden. Dies schlägt jedoch in fast allen Fällen fehl. Anliegen können nur in gemeinschaftlicher Arbeit unter Abwägung der Ressourcen und deren gezieltem Einsatz bewältigt werden. In Osterwieck ist ein zu Ostrau ähnliches Ziel an diesem Punkt gescheitert. Die Vereinsmitglieder, die das Problem wahrnahmen und auf dem Vereinsdialog an die Abgeordneten herantrugen, waren im zweiten Schritt nicht willens genug, sich an der Erarbeitung der Lösung zu beteiligen. Hier sind die Akteure dadurch auf halbem Wege stehen geblieben und haben die Effekte der Erstveranstaltung nicht weiter verfolgt. Insgesamt hat sich aber unser Konzept der zwei Phasen der Vereinsdialoge in den Region bewährt. Beweis dafür ist, dass sich in der ersten Runde der Vereinsdialoge zwölf Vereine an acht Orten und in der zweiten Runde acht Vereine an sieben Orten beteiligt haben. Insgesamt also eine Arbeit, die sich wirklich gelohnt hat. Gewollter Effekt war in jedem Fall auch der Beweis, dass sich politisches Mandat und aktives Bürgerengagement bestens ergänzen. Sie bedingen sich, sie suchen sich und sie brauchen sich.

Die Vereinsdialoge haben deutlich gezeigt, dass sich der Kontakt für Vereine und engagierte BürgerInnen lohnt und dass sich am Ende nicht bestätigt hat, was vielerorts eingangs oft zu hören war: „Jaja, reden können die alle viel, aber nützen tut uns das nüscht“.

Verantwortlicher Redakteur: Peter Wetzel

Infobox - Vereine, die an „Vereinsdialoge“ teilgenommen haben -

Schloss Ostrau e.V.,

Heimat- und Naturschutzverein Hainrode e.V. ,

Heimat- und Geschichtsverein Brehna e.V.,

denkMal und Leben e.V. (Havelberg),

Künstlerstadt Kalbe e.V.,

Heimatverein der "Gartenstadt" Möser e.V.,

Brachwitzer Alpen e.V. (Brachwitz),

Kultur- und Heimatverein Sülldorf e.V.

Infobox - Landesheimatbund Sachsen-Anhalt -

Der Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e. V. (LHB) ist ein vom Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt institutionell geförderter Dachverband, Interessenvertreter und Koordinator vieler Orts-, Heimat- und Interessenvereine sowie interessierter Persönlichkeiten, die sich auf lokaler, regionaler und Landesebene der Erforschung, der Pflege, dem Schutz und der Gestaltung des heimatlichen Lebensraumes widmen.

Hauptthemen sind:

  • Kulturlandschaften und "immaterielles Kulturerbe"

  • Denkmalpflege

  • Landes- und Regionalgeschichte

  • Historische und gegenwärtige Alltagskultur (Volkskunde)

  • Regionale Musikkultur

  • Pflege der Regionalsprache Niederdeutsch und der mitteldeutschen Mundarten

Außerdem ist der LHB ein anerkannter Umweltverband und damit Träger öffentlicher Belange. Weiterhin ist er Sprecher der Arbeitsgruppe "Bürgerschaftliches Engagement im Kulturbereich" im Bundesland Sachsen-Anhalt. Von 2010 bis 2013 war der LHB Partner im EU-Projekt "Vital landscape" und von 2011 bis 2012 Träger des Projektes "Engagiert für Heimat und Demokratie" in Kooperation mit der Landesarbeitsgemein-schaft der Freiwilligenagenturen. Er ist Mitglied im Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt und beteiligte sich deshalb an der Kampagne zur Landtagswahl 2016 in Sachsen-Anhalt.

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