Menu
menu

„Was kommt nach dem Kalifat?“ – Fachtag thematisierte neue Herausforderungen in der Islamismus-Prävention

Islamistische Rückkehrer aus den IS-Gebieten machen den Behörden derzeit zu schaffen. Doch das ist aktuell nicht das einzige Problem. Um neue Herausforderungen in der Islamismus-Prävention geht es beim Fachtag Islamismus, zu dem die Landeszentrale für politische Bildung heute ins Roncalli-Haus nach Magdeburg eingeladen hat. Hier warnt der Islamismus-Experte, Psychologe und Autor Ahmad Mansour davor, sich in der Islamismus-Prävention nur auf die salafistische Szene, Dschihadisten und auf den sogenannten Islamischen Staat zu verengen. Das sei nur die Spitze des Eisberges. „Bin Laden und Salafisten mit komischen Kleidern – das war gestern“, sagt er. Heute seien die Islamisten diejenigen, die die Jugendkultur für ihre Zwecke nutzten. Hier müsse die Prävention ansetzen. Dabei sei die erste Regel, schneller zu sein als die Radikalen.

In seinem Vortrag spricht er insbesondere über die Ursachen der Radikalisierung und die psychologischen Faktoren. „Die IS-Anhänger aus Europa waren nicht die Abgehängten“, ist er überzeugt. Der Islamismus sei vielmehr eine bestimmte Art, um Anerkennung in der Community zu bekommen, zudem biete er ein einfaches schwarz-weißes Weltbild. Die Gesellschaft müsse den Jugendlichen deshalb Alternativen anbieten und sie mündiger machen. Nachholbedarf sieht er zum Beispiel in der politischen Bildung in den sozialen Medien, um hier eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen.

Die Leiterin der Beratungsstelle HAYAT, Claudia Dantschke, geht in ihrem Vortrag insbesondere auf die Situation der Rückkehrer und potenziellen Rückkehrer und ihren Familien ein. Dazu liefert sie umfangreiches Zahlenmaterial. So seien von den offiziell 1050 nach Syrien ausgereisten Personen 325 bereits zurückgekehrt, weitere 114 würden sich in Syrien und im Irak in Haft befinden. Etwa 250 IS- Kämpfer seien ums Leben gekommen, bei 360 Personen sei der Aufenthalt unbekannt. Von den 140 Kindern, die sich gegenwärtig in den Camps und Gefängnissen aufhielten, wären etwa die Hälfte in Syrien geboren worden. Da nach einem Grundsatzurteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg die Bundesregierung verpflichtet ist, nicht nur die Kinder, sondern auch die Mütter schnellstmöglich nach Deutschland zu holen, müsse sich hier auch darauf eingestellt werden. Dazu gibt sie einen Einblick, was alles zu beachten ist – von der Klärung der Situation in der Familie über die Frage der Geburtsurkunde und Krankenversicherung bis hin zum Umgang in Kita, Schule und an den Arbeitsstellen. Grundsätzlich spricht sie sich für eine gründliche Einzelfallprüfung aus. „Es gibt Frauen, die radikalisiert worden sind, aber es gibt auch Fälle, in denen Frauen wirklich nur gekocht haben.“ Hier komme es darauf an, das vorhandene Netzwerk von Hilfsmöglichkeiten zu nutzen.

Dass die Rückkehr aber auch zu Verunsicherungen in der Bevölkerung hierzulande führen kann, konstatiert die Integrationsbeauftragte des Landes, Staatssekretärin Susi Möbbeck, in ihrem Grußwort. Damit müssten sich Politik und Gesellschaft auseinandersetzen. Zudem gehe es darum, die mögliche Rückkehr der Betroffenen zu begleiten. Dazu zählten in Sachsen-Anhalt drei Fälle.

Ansonsten sieht die Staatssekretärin keine gefestigten Strukturen der islamistischen Szene in Sachsen-Anhalt. Gleichwohl müsse die Präventionsarbeit hier möglichst frühzeitig ansetzen, um zu verhindern, dass sich das Feld vergrößert. Dazu dienten auch das Landespräventionsnetzwerk, die inzwischen eingerichtete Koordinierungsstelle für Islamismus-Prävention und solche Fachtage für den Erfahrungsaustausch und zur Vernetzung. Ausdrücklich bedankt sie sich bei der Landeszentrale für politische Bildung, die das möglich gemacht habe.

Am Nachmittag stehen vier Workshops an. Zum Abschluss ist dann eine Podiumsdiskussion mit Dr. Gerwin Moldenhauer, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, dem Islamwissenschaftler Elhakam Sukhni, der stellvertretenden Direktorin der Landeszentrale, Cornelia Habisch, und Elena Sahin von der Landeskoordination für Islamismus-Prävention vorgesehen, in der die Herausforderungen für Sachsen-Anhalt thematisiert werden.