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,,Macht aus diesem Staat Gurkensalat‘‘ - Punk in Ost- und Westdeutschland

Subkulturen hatten in der DDR einen schwierigen Stand. Die SED-Führung versuchte jegliche Art von persönlicher Entfaltung außerhalb der Parteilinien zu minimieren und steuerte mit dem staatseigenen Repressionsapparat gegen. Die Kontrolle über alle Teile der sozialistischen Gesellschaft sollte mit allen Mitteln gewährleistet werden. ,,Bereits vor der Staatsgründung verfügte die SED mit der Freien Deutschen Jugend (FDJ) über ein wirksames Instrument zur unmittelbaren Einwirkung auf die Jugend.‘‘[1] und somit auf die Teile der heranwachsenden Generation, die die Punkbewegung maßgeblich mitgestalteten.

Aus dieser Situation entwickelte sich eines der buntesten Kapitel der DDR-Geschichte und brach aus dem defensiven Einheitsgrau des Staates aus. Die Punks in der DDR ,,waren in ihrem Erscheinungsbild nur mit Aliens vergleichbar.‘‘[2] und zeigten die Unzufriedenheit der Jugendlichen mit dem so genannten vorbestimmten Leben in der Planwirtschaft mit ,,zu viel Zukunft‘‘[3], das ihrer Meinung nach in der DDR zwangsweise gelebt werden musste. Der Versuch des Ausbruchs wurde gewagt: schon Punk zu sein war Rebellion, da man mit seiner bloßen Existenz die Logik der sozialistischen Jugend gefährdete.[4]

Von Lorenz Schleyer

In der BRD hatten Punks einen anderen gesellschaftlichen Stand. Zunächst kaum wahrgenommen, durchlebten sie einen ähnlichen Beginn wie die Szene der DDR. Sowohl im persönlichen Bereich, als auch in der Öffentlichkeit waren sie Anfeindungen ausgesetzt. Das führte zu einem starken Zusammenhalt innerhalb der Szene und zu einer starken Abschottung nach außen.[5]
Ab den 1980er Jahren hatte die Konsumgesellschaft das Phänomen ,,Punk‘‘ als rebellisches Jugendformat entdeckt und sich einverleibt - von einer echten Subkultur kann nun nicht mehr gesprochen werden. Punk war in der Mehrheitsgesellschaft angekommen.[6] Das gefiel vielen Personen, die schon eine längere Zeit Punk waren, nicht. Die ersten Abspaltungen fanden statt. In dieser Zeit feierten Punk-Bands, wie die ,,Toten Hosen‘‘ oder ,,Die Ärzte‘‘ erste kommerzielle Erfolge.[7]  

2. Situationen der Punk-Szenen in Ost und West

Die Punk-Szene in Westdeutschland veränderte sich mehrmals grundlegend. Anfangs war die Szene dort - fast wie im Osten - verschrien von der konservativen Gesellschaft und deshalb auch so interessant für viele Jugendliche, die aus dem Alltag ausbrechen und provozieren wollten.[8] Die ursprünglichen Grundsätze richteten sich gegen alles, was ihrer Meinung nach die ,,Spießergesellschaft‘‘ ausmachte: die Lebensweise, der Arbeitswille, der Staat, sowie ihre eigene jugendliche Situation.[9]

Die Punk-Szene im Osten war hingegen stärker politisiert. Auf eine rasch einsetzende Kriminalisierung der Szene der DDR folgte eine konsequente Politisierung. Gerade zum Anfang der Szene hieß Punk-Sein ständig in Gefahr zu leben. Die Volkspolizisten verfolgten und verhinderten Übergriffe aus der Zivilgesellschaft nicht. Um in dieser Zeit bestehen zu können, musste man sich behaupten können. Das schreckte viele Interessierte von der Szene ab.

Die Möglichkeiten, die es im "Westen" gegeben hatte, waren in der DDR nicht vorhanden. Das forderte den in der Szene internalisierten Do-it-yourself-Ethos heraus, der von den ,,Ostpunks‘‘ kreativ ausgelebt wurde. Das Umfunktionieren von Alltagsgegenständen reichte von Gurkenfässern als Drums über Gardinen als Stoff für Kleidung bis hin zu den Frisuren, die mit Lack und Seife perfektioniert wurden.

3. Vergleich politischer Ansichten beider Szenen

Ohne alle Individuen mit einzuschließen, kann beiden Szenen anfänglich ein diffuses anarchistisches Weltbild unterstellt werden.[10] Dieses war nicht theoretisch gefestigt. Als Folge dessen wurden oberflächliche anarchistische Wünsche geäußert. Das manifestierte sich in Ablehnung des Staates und jeglicher Hierarchien. Weitergehend wurde der D.I.Y.-Ethos als Autonomie ohne Hierarchie gelebt. Hier lässt sich gut ein Punk Spruch, der als Titel dieses Textes fungiert, einbinden: ,,Macht aus diesem Staat Gurkensalat‘‘[11] wurde von einigen DDR-Punks an eine Häuserwand gesprüht. Hier kann eine Ablehnung der staatlichen Ordnung klar abgelesen werden.

Die erste Szene gilt allgemein als politisiert, sowohl in der DDR, als auch in der BRD.[12] Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen und staatlichem Hierarchiedenken sind in dieser Zeit in Liedtexten der frühen Punk-Bands omnipräsent. Diese Unzufriedenheit mit dem Bestehenden manifestierte sich in einer Art der Politisierung, mit der die Punks ihre politischen Vorstellungen durchsetzen und gestalten wollten.

Diese Vorstellungen unterschieden sich allerdings grundlegend zwischen den beiden deutschen Staaten. In der BRD wurde sich gegen das System der kapitalistisch ausgeprägten liberalen Demokratie gestellt und das System als Ursprung allen Übels angesehen.[13] Als Alternative zum System wurde mehrheitlich der Anarchismus propagiert.
Jedoch gab es seit Beginn der Szene auch immer konservativen bis rechten Punk. Als größte Band aus dem Ausland seien hier Teile der ,,Ramones‘‘ genannt, aber auch die ,,Böhsen Onkelz‘‘ aus Deutschland.[14] Beide positionierten sich klar gegen links. Die ,,Böhsen Onkelz‘‘ gingen weiter und bedienten das rechtsextreme Milieu mit Liedern wie ,,Deutschland den Deutschen‘‘ (1980).

Die Zweite Generation des BRD-Punk in der Zeit von 1981-1989 erschien wesentlich heterogener als die erste: mehr gesellschaftliche Schichten, verschiedene politische Ansichten, mehr Ausrichtungen. Auch wenn eine unpolitische Haltung als Hauptströmung dieser Zeit gelten kann, lässt sich feststellen, dass sich bestehende Formen der Politisierung festigten. Insgesamt rückte die Szene weiter nach links.[15] Das lag zum einen daran, dass sich die gesellschaftlichen Idealvorstellungen auch theoretisch manifestierten. Zusätzlich verließen solche rechten Punks die Szene, die von der sogenannten Skinhead-Kultur angezogen wurden.

Die erste Szene des Punk in der DDR übte im Vergleich zur Szene in der BRD weniger Kritik am System - hier  ging es vielmehr um die Sicherung der eigenen individuellen Freiheiten. Während die individuellen Freiheitsrechte in der BRD schon weitestgehend gesichert waren und nun das System kritisiert wurde, war letzteres in der DDR ein abstraktes Ziel. Als Hauptströmung lässt sich hier die ungerichtete politische Position zur Durchsetzung der eigenen Freiheitsrechte definieren - geprägt von einer anarchistischen Grundhaltung. 

Die Politisierung der DDR-Punks kann generell als ausgeprägter als in der BRD angesehen werden: allein das ,,Punk-sein‘‘ war ein politisches Statement. Man war zwangsweise politisiert, da schon die vermeintliche Zugehörigkeit zur Szene Repressionen zur Folge haben konnte. Die Funktionäre sorgten mit dieser Praxis gegenüber "Abweichlern" für eine indirekte Politisierung der Akteure. Das ist auch in der zweiten Generation des DDR-Punk zu beobachten. Später begünstigten die Vereinnahmungsversuche von staatlicher Seite eine Normalisierung der Szenezugehörigkeit, was ein Abschwellen der staatlichen Repressionspraxis nach sich zog. Diese Entwicklung setzte allerdings erst ab Ende der 1980er Jahre ein.[16]

In der zweiten Generation der DDR-Punks war der Kampf für die eigenen Freiheitsrechte weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Punk-Identität, jedoch wurde sich nun auch vermehrt und ganz konkret gegen das System engagiert. Die Möglichkeit, in vielen Kirchen u.a. Konzerte zu veranstalten, brachte die Punks in Kontakt mit weiteren Akteuren der oppositionellen Bewegung - so z.B. mit der Menschenrechts-, Umwelt- und Friedensbewegung. Hier waren von nun an auch Punks wichtige Protagonisten.[17] Die unpolitische Ausrichtung des DDR-Punk war damit nicht verschwunden - FDJ-Karder nutzten die "unpolitischen" Akteure um einen Zugang zur Szene zu finden. Spielmöglichkeiten für Punk-Bands in FDJ-Jugendklubs sollten dies erleichtern. 

Fazit

Zwischen den Punk-Szenen der DDR und der BRD bestanden Unterschiede genauso wie Gemeinsamkeiten. Die Kritik gegenüber den Verhältnissen war beispielsweise unterschiedlich ausgeprägt: während DDR-Punks eher um das Durchsetzen von individuellen Freiheiten rungen, ging es den meisten polititsierten BRD-Punks um eine grundlegende Kritik am kapitalistischen System. In beiden Szenen spielte der unpolitische Punk zu unterschiedlichen Zeiten immer wieder eine wichtige Rolle. Eine daraus resultierende oder ihr vorstehende popkulturelle Annahme des Punk durch die Mehrheitsgesellschaft - in der zweiten Generation des BRD-Punk und Ende der 1980er Jahre in der DDR - setzte in beiden deutschen Staaten eine Mainstreamisierung des Punk in Gang. Der Anarchismus und dessen unterschiedliche Theorien können in beiden Szenen als identitätsstiftend gelten.

 

[1] Boehlke/Fiebeler (2007), S. 6

[2] Hahn (2013), S. 135

[3] Boehlke/Fiebeler (2007), S. 6

[4] Vgl. Boehlke/Fiebeler (2007), S. 17

[5] Vgl. Horschig (2005), S. 33 ff.

[6] Vgl. Meinert/Seeliger (2013), S. 33 

[7] Meinert/Seeliger (2013), S. 33

[8] Vgl. Häder (2004), S. 81

[9] Vgl. Hecken (2013), S. 247

[10] Vgl. Stock/Mühlberg (1993), S. 166

[11] Michael (2005), S. 143

[12] Vgl. Hahn (2013), S. 141; Vgl. Meinert/Seeliger (2013), S. 49 

 [13] Vgl. Horschig (2005), S. 46

[14] Vgl. Seyferth (2013), S. 67

[15] Vgl. Meinert/Seeliger (2013), S. 32

[16] Vgl. Michael (2005), S. 138

[17] Vgl. Boehlke/Fiebeler (2007), S. 8

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