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Antisemitismus in der DDR

Für den renommierten Antisemitismusexperten Wolfgang Benz gibt es keinen Zweifel: „Die DDR war zwar kein antisemitischer Staat, aber es gab auch in der DDR Antisemitismus und verbreitete antisemitische Ressentiments.“ Der langjährige Leiter des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung ist am Abend des 21. Januar auf Einladung der Landeszentrale für politische Bildung in der Stadtbibliothek Magdeburg zu Gast und stellt hier seinen Sammelband „Antisemitismus in der DDR“ vor. Das Buch ist zwar derzeit vergriffen und wird erst demnächst wieder in neuer Auflage erscheinen, dem Interesse am Thema tut das allerdings keinen Abbruch. Mehr als 60 Besucherinnen und Besucher, darunter auffällig viele jüngere, sind in die Bibliothek gekommen, um sich über das Thema zu informieren.

Und sie werden nicht enttäuscht. Wolfgang Benz schlägt einen Bogen von den Anfängen der DDR bis in ihre Endphase, als eine Entspannung auch gegenüber Israel erkennbar wird. Zwar sei im Arbeiter- und-Bauern-Staat immer betont worden, dass der Antisemitismus in der DDR mit den Wurzeln ausgerottet wurde, erklärt der Zeithistoriker. Jedoch habe es in der DDR bereits in den 1950er Jahre eine judenfeindliche Welle ausgehend von der Sowjetunion gegeben. Als Höhepunkt dieser fatalen Entwicklung im Ostblock nennt er den Slansky-Prozess gegen hochrangige KP-Funktionäre in der Tschechoslowakei.

Zudem habe der damalige DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl bereits 1956 Israel als „ständigen Unruheherd“ in der Region bezeichnet. Später, im Sechstagekrieg 1967 und danach, sei Israel von der DDR als „Aggressor-Staat“ verurteilt worden. Diese antiisraelischen Schmähungen hätten auch medial im „Schwarzen Kanal“ von Karl-Eduard von Schnitzler ihre Fortsetzung gefunden, so sei von einer imperialistisch-jüdischen Verschwörung die Rede gewesen, Juden seien als Kapitalisten gebrandmarkt und der Zionismus sogar mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt worden. Diese Bilder und Vergleiche wirkten bis heute nach so Benz. „Hinter solcher Israelkritik verbirgt sich der gewöhnliche Antisemitismus“, ist er überzeugt.

Dass das auch Auswirkungen auf das Leben der Juden in der DDR hatte, zeigt er am Beispiel der Mitgliederentwicklung. So gab es 1989 lediglich noch 400 Juden in der DDR, während es in der Bundesrepublik 30.000 waren. Als einen Grund für die schwierige Situation der jüdischen Gemeinden in der DDR führt er das Misstrauen des Staates an. Vielfach habe es den Generalversdacht gegeben, die Juden in der DDR seien erst Juden und nur in zweiter Linie DDR-Bürger. Auch sei mit den jüdischen Kultstätten nicht pfleglich umgegangen worden. „Vom Anfang bis zum Ende der DDR sind jüdische Friedhöfe immer wieder mit antisemitischen Parolen geschändet worden.“

Aufmerksam folgen die Zuhörerinnen und Zuhörer den Ausführungen und schalten sich im Anschluss intensiv ins Gespräch ein. Welche antisemitischen Einstellungen es innerhalb der DDR-Bevölkerung gab, will jemand wissen. Ob die Fernsehserie „Holocaust“ sich auch auf die Einstellung der DDR-Bürger ausgewirkt habe, fragt eine andere Besucherin. Hier muss der Historiker jedoch passen. Da es keine belastbaren Untersuchungen gebe, lasse sich kein wirklicher Schluss ziehen. Aber es habe ganz sicher judenfeindliche Ressentiments in der Bevölkerung gegeben – „wie überall auf der Welt“.
Bis heute sei die Beschäftigung mit diesem lange tabuisierten Thema nicht überall willkommen, weiß der Forscher zudem. „In manchen Gefilden will man mit dem Thema nichts zu tun haben.“ So hätten bei einem Vortrag in Weimar etliche ältere Besucher behauptet, dass es in der DDR keinen Antisemitismus gegeben habe. „Ich bin der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt deshalb sehr dankbar, dass sie das Thema aufgegriffen hat.“ Dabei wolle er als Zeitgeschichtler auch nicht zu denjenigen gehören, „die auf den Knochen der DDR Samba tanzen“ und ihr Urteil fällen. Aber als Historiker sei es ihm wichtig, das Thema zu analysieren und darzustellen, wie es tatsächlich gewesen ist. Dazu hat der Abend in der Stadtbibliothek zweifellos einen Beitrag geleistet.